Vortrag von Jakob Feinig (Binghamton University) mit Kommentar von Lea Steininger (WU Wien & Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche) und anschließender Debatte.
Jede Form der Geldschöpfung ist eine Antwort auf politische Grundfragen, die Gesellschaften beantworten müssen, wenn sie die Institutionen der Geld-Produktion aufstellen.
· Wo entsteht neues Geld?
· Wer bekommt zuerst Zugang zu gerade geschöpftem Geld?
· Wofür wird es hergestellt?
Die Antworten auf diese Fragen bestimmen welche Projekte verwirklicht werden (und welche nicht), was wir als produktiv bewerten (und was nicht) und damit, welche Menschen wieviel Geld für welche Tätigkeiten bekommen (und welche nicht).
Die grundsätzlichen Fragen um die Geldschöpfung werden heute meist ausgeblendet und sind im Alltag nicht sichtbar, auch wenn der Diskurs um die Modern Monetary Theory (MMT) das Schweigen des Geldes aufgelockert hat.
In diesem Vortrag zeigt der Soziologe Jakob Feinig anhand von Beispielen aus der Geschichte Nordamerikas, wie und warum Menschen in der Vergangenheit und Gegenwart nicht nur die Verteilung des Geldes politisierten, sondern seine Schöpfung: Soll die öffentlichen Hand Geld für gemeinnützige Projekte schaffen oder sollen Banken das für profitorientierte Betriebe tun? Manche dieser Antworten wurden institutionalisiert und entwickelten sich zu dem Geld-System, wie wir es heute kennen. In der Folge ging jedoch das politische Wissen in der breiten Bevölkerung um Geldherstellung verloren.
Heute ist die Organisation des Geldes wichtiger denn je. Wenn wir wieder lernen, Geld als politische Frage zu sehen, wird es schwieriger, etwa Austeritätsmaßnahmen oder unfreiwillige Arbeitslosigkeit zu rechtfertigen. Wenn Geld eine Frage des Designs ist, dann ist die Bereitstellung von öffentlichen Arbeitsplätzen eine Frage der Organisation—keine Frage der (Geld-)Knappheit oder der Produktivität. Der Verlust von Wohlbefinden, Einbindung, und Beiträgen der Menschen, die wir derzeit in die Arbeitslosigkeit zwingen, kann nicht mehr gerechtfertigt werden. In einer Zeit des tiefgreifenden Wandels, in der ökologische Bedingungen so manche Tätigkeiten als schädlich entlarven, könnte die demokratisch-legitimierte Bereitstellung von Arbeitsplätzen die Einbindung von Menschen garantieren, die heute noch in Bereichen arbeiten, die ökologisch katastrophale Effekte haben. Deren Arbeitskraft, aber auch jene von Leuten, denen strukturell gesellschaftliche Teilhabe in Form von Erwerbsarbeit verwehrt wird, könnte dann im Rahmen einer öffentlichen und universellen Jobgarantie für einen gerechten Übergang mobilisiert werden.
ist Soziologe an der Binghamton University. Er forscht vor allem zur Geldgeschichte und Geldtheorie. Sein Buch, Moral Economies of Money: Politics and the Monetary Constitution of Society (Stanford University Press), ist im Oktober 2022 erschienen.
ist Ökonomin am Department Volkswirtschaft der WU Wien und am wiiw. Sie forscht zu Geldpolitik und Geldtheorie aus queer-feministischer Perspektive.
Vortrag, Kommentar und Diskussion finden auf Deutsch statt.
Die Veranstaltung ist kostenlos.